Europäische Medienwissenschaft

„Die Ideologiekritik ist zurück!“ So beginnt der Werbetext der für Oktober 2024 angekündigten Publikation „Ideologie und Ideologiekritik zur Einführung“ (Junius Verlag). Tatsächlich wird der Ideologiebegriff gegenwärtig in ganz unterschiedlicher Weise eingesetzt. Sein kritisches Potenzial wird nicht mehr nur von linker Seite genutzt, sondern auch von reaktionären Kräften, die sich gegen die angebliche „Genderideologie“ oder den Post- und Dekolonialismus aussprechen. Anlass genug also, um sich mit dem Begriff und seiner Geschichte eingehend zu beschäftigen.

Den Auftakt machen dabei unweigerlich die Begründer der Ideologiekritik: Karl Marx und Friedrich Engels. Ideologie wird von ihnen als „falsches Bewusstsein“ aufgefasst, das erst durch die materialistische Philosophie aufgedeckt werden kann. An diesem Anspruch arbeiten sich die marxistischen Theoretiker*innen seither immer wieder ab. Für die Medienwissenschaft ist von besonderem Interesse, was die Kritische Theorie mit ihrer Kritik der Kulturindustrie unter Ideologie versteht und welche Vorschläge sie macht, mit ihr umzugehen. Dies steht teilweise im scharfen Kontrast zu den Cultural Studies, vor allem in der Figur Stuart Halls.

Der Horizont dieser historischen Begriffsarbeit ist allerdings ein aktueller: einerseits die Auseinandersetzung mit dem, was seit den 1990er Jahren als „kalifornische Ideologie“ bezeichnet wurde, womit der komputationale Neoliberalismus und technologische Determinismus gemeint ist; andererseits mit einem von Tech-Milliardären verbreiteten Bündel von Ideologemen, die erst vor ganz kurzem mit einem neuen kritischen Begriff versehen wurden, nämlich „TESCREALism“ (Gebru & Torres 2024).

Ziel des Seminares ist es demnach, sowohl einen Überblick über gegenwärtige Ideologien zu gewinnen, insbesondere solche, die auf Informations- und Zukunftstechnologien aufbauen, als auch die Reichweite und Sinnhaftigkeit eines kritischen Ideologiebegriffs (und der Ideologiekritik als solcher) auf einer soliden ideenhistorischen Grundlage auszuloten.

Die Vorlesung ist eine Einführung in das Fach Medienwissenschaft entlang einiger ihrer grundlegenden Begriffe. Als erstes wird danach gefragt, was mit „Medium“, „Medien“ und „Medialität“ alles gemeint ist – sowohl historisch als auch gegenwärtig. Dabei wird sich die „Vermittlung“ als eine entscheidende medientheoretische Funktion herauskristallisieren. Medien vermitteln die Welt, aber sie tun dies auf unterschiedliche Weise und verändern damit auch die Inhalte, die sie vermitteln. Seit der Antike gibt es dafür ein Bewusstsein, dass es einen Unterschied macht, ob Wissen schriftlich oder mündlich vermittelt wird – und damals wurde nicht umsonst auch die erste Medienkritik artikuliert.

Die Entwicklung des Buchdrucks ist für die Geschichte der Medien als eines Massenphänomens ganz wesentlich – Marshall McLuhan prägte dafür den genialen Ausdruck „Gutenberg-Galaxis“. Einer der großen Effekte des Buchdrucks war die Herausbildung einer neuen Form von „Öffentlichkeit“ – diese ist heute mit den digitalen und sozialen Medien erneut in einem radikalen Transformationsprozess, den es zu untersuchen gilt. Denn Medien sind nicht „neutral“: Sie knüpfen neue Verbindungen zwischen den Menschen, zeitigen aber auch unabsehbare Folgen für das Welt-, Menschen- und Selbstbild ihrer Nutzer·innen.

Inwiefern diese Macht der Medien zur Erzeugung realer und vielfach auch problematischer und ungerechter Effekte beiträgt, wird in den letzten Sitzungen der Vorlesungen beispielhaft anhand konkreter Medienanalysen durchgeführt. Die Schlagwörter hierfür sind „Affekt“, „Ideologie“ und „Black Media Studies“.

Die Geschichte von Kunst, Medien, Wissenschaft und Gesellschaft ist traditionell durch einen männlichen Blick geprägt, der nicht nur den wissenschaftlichen Kanon definiert, sondern auch das Ausstellen in kunst- und technikhistorischen Museen beeinflusst. Lange wurde das Wirken von Frauen in zahlreichen Kontexten ignoriert oder negiert. Daraus resultiert eine Art von Unsichtbarkeit, der sich kaum eine Ausstellung und kaum ein Museum entziehen kann. Im Jahr 2022 hat das Berliner Bode-Museum in Kooperation mit dem ‚Frauentreff Olga‘ sechs thematische Routen durch die Dauerausstellung konzipiert, die den etablierten Museumsdiskurs reflektieren und erweitern sollen. Die Routen beschäftigen sich u.a. mit Frauen, die die politische Geschichte geprägt haben, mit Frauen in der Mythologie oder mit Leerstellen, in denen Frauen erkennbar fehlen oder weggelassen wurden. In diesem Projektseminar wollen wir uns zunächst die ‚Frauen-Routen‘ im Bode-Museum ansehen und danach weitere Museen und Ausstellungen besuchen, um zu untersuchen, inwiefern es auch hier möglich wäre, Frauen – unmittelbar und ohne die Ausstellungen neu zu konzipieren – sichtbarer zu machen. Die Arbeit erfolgt in Gruppen, Projektideen werden im Seminar disktutiert. Flankiert wird die Gruppenarbeit durch Übungen zur Projektentwicklung und durch die Lektüre thematisch passender Texte. Das Seminar wird entweder am Neuen Palais stattfinden oder (an drei bis vier Terminen) in Museen oder Ausstellungen in Berlin. Alle Termine finden mittwochs am Vormittag statt.

Innerhalb des obligatorischen Theorieseminars werden Texte zu medientheoretischen und medienhistorischen Fragestellungen gelesen und damit für unser Fach charakteristische Denkweisen, Fragestellungen und Methoden diskutiert.

Künstler*innen wie Ming Wong (Singapur/Berlin) beziehen sich in ihren Arbeiten u.a. auf Filmklassiker von Pasolini und Fassbinder. Was bedeuten sogenannte Reenactments oder Adaptionen als künstlerische Methode für die Neu-Kontextualisierung einer Kritik an gesellschaftlichen Strukturen und Normen? Anlass für dieses Seminar ist die Ausstellung „Pier Paolo Pasolini“ beim n.b.k. (Neuer Berliner Kunstverein) und eine Filmreihe im Babylon Kino (Berlin Mitte). Wir werden Filme und Videokunst in Kontakt miteinander bringen und künstlerische Strategien bei einer Veranstaltung mit Ming Wong diskutieren.
Zusätzliche Informationen:
Das Seminar findet in den Räumlichkeiten des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) statt und im Babylon Kino, Berlin Mitte.
Weitere Infos und Sondertermine werden nach Anmeldung an die Teilnehmer*innen verschickt.