Das Seminar wird sich zwei Genoziden des 20. Jahrhunderts widmen, ohne diese miteinander vergleichen zu wollen: der Shoah in Deutschland und dem Völkermord an den Tutsi in Ruanda. Im Mittelpunkt wird die Frage stehen, wie Literatur an diese Ereignisse erinnern kann und wie dies insbesondere gelingen kann, wenn die Autor:innen nicht daran teilgenommen haben bzw. nicht direkt persönlich davon betroffen waren. So hat Georges Perec als Kind polnischer Juden die Shoah in Villard-de-Lans überlebt, während ein Großteil seiner Familie, darunter seine Mutter, in Auschwitz ermordet wurde. Seine Kindheitserinnerungen hat er in W ou le souvenir d’enfance (1975) festgehalten. Marguerite Duras erinnert in ihrer Aurelia Steiner-Text- und Filmtrilogie (1979) fiktiv an die Verfolgung und Ermordung der Juden. Boubacar Boris Diop (Murambi, le livre des ossements, 2011) und Véronique Tadjo (L’ombre d’Imana. Voyages jusqu’au bout du Rwanda, 2000) haben wiederum an dem Projekt Écrire par devoir de mémoire teilgenommen, für das insgesamt elf afrikanische Schriftsteller:innen 1998 nach Ruanda eingeladen wurden, um über den Völkermord an den Tutsi von 1994 zu schreiben. Bei allen Autor:innen stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, an etwas zu erinnern, das man nicht direkt selbst erlebt hat, und welche Form und Sprache für die Darstel! lung des Nicht-Darstellbaren gefunden werden kann.