Die Sphäre dessen, was ‚Kultur’ ist, scheint kaum eingrenzbar. Als Kultur gilt, was soziale Gebilde (wie Gesellschaften) in symbolischer und materieller Interaktion zur (historischen und aktuellen) Grundlage ihrer Struktur erklären. Als halbwegs eindeutig abgrenzbaren Gegenbegriff hat man deshalb die ‚Natur’ identifiziert. Im Seminar werden wir zunächst die klassische Natur-Kultur-Dyade rekonstruieren, um dann im Verlauf des Semesters zentrale Forschungsfelder von Kulturwissenschaft und Kulturgeschichte in Begrifflichkeit und Methode zu erschließen. Zu diesen Feldern gehören die Kultursemiotik, geokulturelle Konzepte, Raumtheorien, postcolonial studies, Populärkultur, Diskursanalyse, Gendertheorie, Performanztheorie.

Die Auseinandersetzung mit den theoretischen Paradigmen verläuft dabei in enger Anbindung an Materialanalysen. Konkrete Fallbeispiele gelten: dem Slavophilie-Streit, der sog. „Erfindung Osteuropas“ im Zeitalter der Aufklärung, der Diskursgeschichte des Topos ‚Osten’, den aktuellen Entwicklungen der LGBT*-Politik in Russland, Geschichtspolitik und Erinnerungskultur u.a.

Was kann man (unter)suchen, wenn man eine genderkritische Herangehensweise an literarische Texte beabsichtigt? Im Seminar geht es darum, unterschiedliche theoretische und analytische Herangehensweisen, auch mit Rücksicht der Entwicklung der Genderforschung bis zu LGBTQ-Studies, theoretisch kennenzulernen und praktisch umzusetzen.

Um kultur- und literaturgeschichtliche Dimensionen und Spezifiken der Fragestellung – aus theoretischer Perspektive vergleichend, mit Hinsicht auf die Textarbeit konzentriert auf die russische Kultur und Literatur, kennenzulernen, werden wir eine Auswahl aus Texten analysieren, die ein möglichst großes historisches Spektrum umfassen.

Begleitend und ergänzend zur gleichnamigen Vorlesung werden im Lektürekurs ausgewählte Texte detailliert gelesen und analysiert. Dabei werden einerseits Formen und Inhalte der einzelnen Texte erschlossen, andererseits werden die in der Vorlesung formulierten Thesen und Überlegungen anhand der Textlektüre kritisch reflektiert.

Obwohl nicht von der Hand zu weisen ist, dasses ‚politische Lyrik’ gab und gibt, sind zumindest zwei Probleme mit dieser Behauptung verbunden. Einerseits könnte man politische Lyrik mit dem Argument, es handle sich dabei um Gebrauchs- oder Gelegenheitsdichtung, aus dem Bereich des Literarischen ausschließen. Dazu müsste es aber klare Kriterien für das Merkmal „politisch“ geben. Solche ergeben sich – scheinbar einfach – aus Gattungen wie „Herrscherlob“ (oder Herrscherkritik), „Gelegenheitsgedicht“ oder eben „politisches Lied“ bzw. Protestlied. Andererseits sind die Kriterien für das Merkmal ‚politisch’ keineswegs eindeutig. Immer wieder wurde die theoretische Ansicht vertreten, dass auch ‚reine Sprachkunst’ politisch sein kann. Das zeigt sich auch in einer lyrischen Praxis, in der es keine deutlichen Referenzen (etwa in Form von Namen oder Ereignissen) zu aktuellen Machtverhältnissen gab, die aber doch als ‚politisch’ einzuschätzen sind.

Vor dem Hintergrund dieser Fragekomplexe werden in der Vorlesung Erscheinungs- und Verhandlungsweisen von politischer Lyrik in einem Querschnitt der Geschichte der russischen Literatur vom Klassizismus bis zur Gegenwart, hier auch mit Beispielen aus der ukrainischen und belarusischen Gegenwart, präsentiert und diskutiert.