Seit einigen Jahren genießt das Forschungsfeld der periodical research und im engeren Sinn die Zeitschriftenforschung steigende Aufmerksamkeit, auch außerhalb des engeren Bereiches der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften. Euphorische Stimmen sprechen davon, dass die Zeitschriftenkunde eine Stellung einnehmen könnte wie Numismatik, Paläographie und Epigraphik.


Für die geschichtswissenschaftliche Forschung waren Periodika und insbesondere Zeitschriften, um die es im Seminar gehen soll (nicht um Zeitungen!), immer schon ein wegweisendes Hilfsmittel – aber auch hier wohl vornehmlich nur als „Steinbruch für Material“. Darüber geriet das Phänomen Zeitschrift als „Ganzes“ etwas in den Hintergrund (es gibt natürlich Ausnahmen). Im Wintersemester 2022/2023 wollen wir uns damit auseinandersetzen, wie eine zeitgemäße geschichtswissenschaftliche Annäherung an den Gegenstand Zeitschrift aussehen kann. So spricht zum Beispiel vieles dafür, dass erst durch die Digitalisierung von Zeitschriften und fortgeschrittener Computerleistung ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügender Überblick über Zeitschriftenkorpusse gewonnen werden kann. Andererseits entfallen durch die rein digitale Beschäftigung mit den Quellen haptische Erfahrungen – und zum Beispiel auch oft der (für Historikerinnen und Historiker) so aufschlussreiche Blick auf die Werbeseiten von Zeitschriften, weil diese nicht mitgescannt werden…


Im Seminar wird auf die Jahre von ca. 1870 bis 1930 fokussiert, weil es in diesem Zeitraum zu einer rasanten Beschleunigung der Zeitschriftenproduktion kam, sie schließlich – noch nicht herausgefordert durch audiovisuelle Medien – auch ihren globalen Höhepunkt erreichte. Sie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts vielleicht die Institution kulturellen Austauschs. Dabei sollen im Seminar nicht (nur) die „literarischen“ Zeitschriften oder die „modernist magazines“ betrachtet werden, sondern Zeitschriften jeglicher Provenienz, vom politischen (Kampf-)Blatt über die wissenschaftliche Zeitschrift, konfessionelle Zeitschriften, die Kolonialzeitschriften, Mode- und Unterhaltungszeitschriften bis zu jenen, die technischen oder wirtschaftlichen Themen gewidmet waren. Bringen Sie Ihre Interessen ein!


Voraussetzung für die Teilnahme am Kurs ist die Bereitschaft, sich über das Semester in eine – selbstgewählte – Zeitschrift zu vertiefen. Das geht einher mit der Bereitschaft zum Viellesen! Dafür wird das Seminar nicht wöchentlich, sondern zweiwöchentlich stattfinden, sodass Ihnen immer genug Zeit zum Vertiefen bleibt.

Die Hausarbeit wird Teil einer Gesamt-Seminarleistung sein: Wir gestalten gemeinschaftlich auf Grundlage Ihrer Texte (ca. 7–10 Seiten+x) eine „kleine Zeitschrift“ gemäß der im Kurs identifizierten Merkmale einer solchen; eine richtige „review of reviews“.


Der Moodle-Schlüssel wird in der ersten Sitzung am 21. Oktober 2022 bekanntgegeben.

 

Zur Vorbereitung bitte folgenden Text lesen:

https://doi.org/10.17192/ep2018.2-3.7837 (Ruchatz, Jens; Fröhlich, Vincent: Komplexität und Vielfalt: Plädoyer für eine medienwissenschaftliche Zeitschriftenforschung. In: MEDIENwissenschaft: Rezensionen | Reviews, Jg. 35 (2018), Nr. 2-3.)