Mittelalterliche Stoffe (wie der Nibelungen-, Artus- oder Tristan-Stoff) wurden nicht nur im Mittelalter immer wieder neu bearbeitet, sondern haben auch noch Autoren des 19., 20. und 21. Jahrhunderts immer wieder zur literarischen Auseinandersetzung mit ihnen angeregt - wenn auch aus teils sehr unterschiedlichen Gründen. Wir wollen am Beispiel zweier solcher Adaptionen, nämlich Gerhart Hauptmanns Drama Der arme Heinrich. Eine deutsche Sage  (1897-1802) und Thomas Manns Der Erwählte (1948-50) untersuchen, wie die Autoren dabei verfahren, welche Modifikationen sie dabei vornehmen und welche Vorstellung von Mittelalter sie in ihren Bearbeitungen vermitteln. Dazu lesen wir die jeweiligen Prätexte, Hartmanns von Aue Armen Heinrich und seinen Gregorius (beide Texte liegen als Reclam-Editionen in Übersetzung und kommentiert vor). Eines der Ziele besteht darin, die Spezifik vormodernen Erzählens aus dem Rückblick des modernen genauer zu erfassen.