Der Kurs soll die anthropologischen Grundlagen transkultureller Psychiatrie und Psychotherapie am Beispiel des Verständnisses psychotischer Erfahrungen vermitteln und zur informierten Kritik an den Ansätzen befähigen. Ausgangspunkt der Diskussion sind die evolutionären und (sozial-)anthropologischen Theorien der Entwicklung der Menschheit, in deren rahmen psychotische Erfahrungen in der Regel als Rückfall auf eine phylo- oder ontogenetisch frühe Entwicklungsstufe verstanden wurden. Am ersten Kurstag sollen diesbezüglich Schlüsseltexte einer Philosophischen Anthropologie, des Marxismus, der Sozialanthropologie (Ethnologie) und ihrer Anwendung auf Krankheitsmodelle erörtert werden. Tag 2 ist der Diskussion der Anwendung dieser Ansätze im Rahmen medizinischer und psychoanalytischer Theoriebildung gewidmet. An Tag drei wird das medizinische Grundwissen an Hand klassischer Texte zur Schizophrenieforschung kritisch diskutiert. Tag 4 führt ein in moderne ethnologische und sozialanthropologische Theorien, die anders als die an Tag 2 diskutierten Paradigmen aus dem direkten Kontakt mit den beschriebenen Bevölkerungsgruppen stammen. Die praktische Anwendung dieser Theorien im Rahmen einer Kritik des kolonialen Kontexts älterer Studien wird an Tag 5 diskutiert. Damit soll ein Überblick über wesentliche medizinische und anthropologische Theorien und Ansätze zum Verständnis psychotischer Erfahrungen gegeben werden, der eine Kritik ihrer jeweiligen historischen Kontexte und Konsequenzen ermöglicht.