In seinen Ökonomisch-philosophischen Manuskripten von 1844 behauptet Marx, dass der Mensch ein "Gattungswesen" sei oder habe: in jeder seiner Handlungen ist der Mensch wesentlich und bewusst auf seine Gattung und mithin auf jene, mit denen er diese Gattung teilt, bezogen. Dies wird oft so verstanden, dass der Mensch ein durch das Wesen seiner spezifischen biologischen Art durch und durch bestimmt ist. In diesem Seminar werden wir sehen, warum diese Lesart falsch ist. Was Marx als Gattungswesen bezeichnet, ist gerade kein "Artwesen" (wie die englische Übersetzung "species being" nahelegt), sondern ein Wesen, das in einem ganz bestimmten Sinne die Grenzen seiner eigenen gegebenen Art überschreitet und eine genunin offene soziale Lebensform konstituiert. Entfremdung ist so nicht als die bloße Abweichung von vorgegebenen Standards der eigenen Art zu verstehen - sie bedeutet vielmehr, dass dem Menschen die Offenheit und die Sozialität seiner eigenen Lebensform verstellt ist. Sich als Gattungswesen zu verwirklichen heißt dabei nicht nur eingedenk der Tatsache zu handeln, dass wir nur durch die anderen da sind; es bedeutet auch eine andere Beziehung zur äußeren Natur einzunehmen, derzufolge sie nicht bloß Ressource oder Besitz, sondern unser anorganische Körper ist. - In diesem Seminar werden wir die Idee des Gattungswesens rekonstruieren, indem wir seine Vorgeschichte bei Hegel, Feuerbach und Heß kennenlernen, sodann die Entfaltung dieses Begriffs beim frühen Marx und schließlich seine für den späten Marx weiterhin erschließende Rolle verstehen. Im Ausgang vom Begriff des Gattungswesen lässt sich Marx als ein Denker rekonstruieren, der die Offenheit, die Sozialität und die fundamentale ökologische Bedingtheit der menschlichen Lebensform gedacht hat.