Wer waren die Nationalsozialisten? Diese Frage stand (und steht) bis heute im Zentrum erregter publizistischer und akademischer Debatten. Sprechen wir, wie lange geschehen, von einem eng umgrenzten Kreis verblendeter Verantwortlicher im NS-Regime oder müssen wir vielmehr von einer breiten gesellschaftlichen Wirkung ihrer Ideologie ausgehen? Wie erlebten die Deutschen die Jahre der Diktatur und wie veränderten sie sich? Und warum blieb das „Dritte Reich” für viele so attraktiv? Ausgehend von diesen Fragen wird das Seminar aktuelle Forschungskontroversen um die Geschichte des Nationalsozialismus vorstellen, wie sie in den letzten Jahren vor allem um den schillernden Quellenbegriff der „Volksgemeinschaft” und sein analytisches Potential zur Erforschung des „Dritten Reiches” kreisen. So wird der Kurs zugleich neuere Ansätze, Methoden und Perspektiven einer Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus zur Diskussion stellen und einen Überblick über das vielgestaltige gesellschaftliche Panorama der Jahre 1933 bis 1945 geben. Das Seminar thematisiert dazu sowohl die ideologischen Wurzeln der rhetorischen Integrationsformel von der „Volksgemeinschaft” und ihre propagandistische Wirkung als auch den Charakter dieser „Gemeinschaft” als ein Phänomen der sozialen Praxis, allen voran hinsichtlich der Praktiken ihrer Herstellung und der verschiedenen Formen der In- und Exklusion. Dabei werden die diversen lokalen Dynamiken und Hintergründe der Konstruktion der „Volksgemeinschaft” ebenso zur Sprache kommen wie die Akteure und Institutionen der Auseinandersetzung. Zuletzt soll auch die Frage nach den politischen, moralischen und sozial-psychischen Folgen des „Dritten Reiches” über 1945 hinaus sowie die Konstruktion von Mythen und – bis heute wirkmächtiger – erinnerungskultureller Narrative beschrieben werden. So setzt sich das Seminar zum Ziel, einen breiten Überblick über die Perspektiven einer Gesellschaftsgeschichte des „Dritten Reiches” zu vermitteln.
- Kursleiter*in: Dr. phil. Michael Homberg