Bilder sind in der noch vorwiegend illiteraten Adelsgesellschaft des Mittelalters wichtige Träger der Vermittlung kultureller Ordnungen und identitätsstiftender Konzepte, die sich auf vielfältige Weise mit gesprochenen und verschriftlichten Texten verbinden. Im Zentrum des Seminars stehen daher die intermedialen Beziehungen zwischen der Symbolsprache der Bilder und den Texten, denen sie zugeordnet oder die ins Bild integriert werden. Bilder ‘sprechen’ dabei in je unterschiedlicher Weise zu Klerikern, schriftunkundigen Laien und adligen Rezipierenden. Zu berücksichtigen ist also auch, wie sich Bilder jeweils auf Mündlichkeit und Schriftlichkeit beziehen und welche Deutungsmöglichkeiten und -ebenen sie eröffnen.

Einen ersten Schwerpunkt im Seminar bildet die Erarbeitung grundlegender mittelalterlicher Darstellungsprinzipien sowie die Erschließung der Bilder als komplexer Zeichensysteme, die gelesen, gedeutet und zum Sprechen gebracht werden. An zweiter Stelle sollen dann Bildprogramme der Illustrationszyklen feudalhöfischer Literatur untersucht werden, die längere Erzähltexte oder Liedersammlungen begleiten. Betrachtet wird neben dem Dialog der Bilder mit den Texten und ihren jeweiligen Ausdrucksmöglichkeiten auch ihre Einbindung in die zeitgenössische Aufführungs- und (Vor-)Lesepraxis. Unter der Perspektive des Medienwandels wird im letzten Teil des Seminars die veränderte Funktion und Zeichen-Sprache der Bilder im frühen illustrierten Buchdruck zur Diskussion stehen. Bei allen Teilnehmer*innen des Seminars werden gute Grundkenntnisse der mittelalterlichen Literatur vorausgesetzt.

Als einführende Lektüre empfohlen: Michael Curschmann: Wort – Schrift – Bild. Zum Verhältnis von volkssprachigem Schrifttum und bildender Kunst vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. In: Michael Curschmann: Wort, Bild, Text: Studien zur Medialität des Literarischen in Hochmittelalter und früher Neuzeit (Vol. 1-2). Baden-Baden 2007, S. 661-753.