Das Seminar widmet sich der jüngeren Diskussion um das Problem epistemischer Ungerechtigkeit, ein Themenfeld an der Schnittstelle von theoretischer und praktischer Philosophie, Epistemologie und politischer Philosophie. Die Rede von "epistemic injustice" geht auf die Philosophin Miranda Fricker zurück, die mit dem Begriff zwei Formen der Ungerechtigkeit in den Blick rücken will, die eine Ungleichheit in der Ordnung des Wissens betreffen. "Testimonial injustice" liegt da vor, wo bestimmten Personenkreisen aufgrund von Markierungen wie Geschlecht, Klasse, ethnischer Zugehörigkeit nicht im selben Maße epistemische Autorität zugeschrieben und Glauben geschenkt wird. "Hermenutical injustice" bezieht sich auf die Ungleichverteilung der hermeneutischen Ressourcen, die dazu führt, dass verschiedene Personenkreise in ganz unterschiedlicher Weise in die Lage versetzt sind, sich und ihre Situation zu verstehen und anderen gegenüber zur Geltung zu bringen. Beide Phänomene verdeutlichen, dass sich in der Ungleichverteilung von  epistemischem Status und epistemischen Ressourcen Machtverhältnisse manifestieren. Epistemische Ungerechtigkeit verlangt nach einer Antwort, die zugleich epistemisch und politisch ist. Das Seminar wird sich im Ausgang von Fricker der breiten zeitgenössischen Diskussion widmen, die über die Rekonstruktion von epistemischer Ungerechtigkeit hinaus  eine Vielzahl von verwandten Problematisierungen (epistemic oppression, epistemic violence, epistemic appropriation usw.) entwickelt hat. Dabei werden wir auch auf ältere Formen der Problematisierung des Nexus von Macht und Wissen zurückkommen.