Eine der wichtigsten Formgelegenheiten der plastischen Künste, das Grabmal, ist in den letzten Jahren durch die Wiederentdeckung seiner liturgisch-zeremoniellen Funktionen in ein neues Licht gerückt. Neben die Beschäftigung mit der autochthonen Entwicklung der Gattung und mit ihren repräsentativen Funktionen, wie sie die ältere Literatur kennzeichnet, ist der Aspekt der Memoria, des liturgisch inszenierenden Gedächtnisses der Toten, getreten. Die Erkenntnis, dass den Jahrzeiten, den mindestens jährlich stattfindenden Totengedächtnisfeiern an den Gräbern der Verstorbenen, mehr als eine nur oberflächliche Verbindung mit der Form der Grabmale zukommt, sondern ihre Lage im Kirchenraum und Friedhof, ihre Ausrichtung auf andere Grablegen und sogar die Formfindung selbst deutlich beeinflusst, hat zu vielen neuen Einsichten geführt. Das Verhältnis zwischen den repräsentativen und den memorialen Funktionen der Grabmäler muss immer erst abgewogen werden. Inwieweit und zu welchen Zeiten die Totenmemoria in den ästhetischen Bestand der Grabmäler eingegangen ist, möchte das Seminar anhand einer Reihe von Beispielen vom 11. bis zum 20. Jahrhundert klären.

Einführende Literatur:
Tanja Michalsky, Memoria und Repräsentation. Die Grabmäler des Königshauses Anjou in Italien, Göttingen 2000
Hans Körner, Grabmonumente des Mittelalters, Darmstadt 1997
Otto Gerhard Oexle (Hg.), Memoria als Kultur, Göttingen 1995