Die abendländische Kultur ist ohne die Bibel nicht zu verstehen. Das gilt in besonderer Weise für das Mittelalter: Die Biblische Figuren galten als historische Personen, die biblischen Geschichten als Beispiele für menschliche Verhaltensweisen und die Beziehung der Menschen untereinander und zu Gott. Daher wurden gesellschaftliche Strukturen, Herrschaftsmodelle und religiöse Ordnungen mit Hilfe der Bibel erklärt und legitimiert.

Die mittelalterlichen Menschen bezogen sich in Prozessen der Selbstvergewisserung, der Deutung und der Verständigung immer wieder auf die Bibel und insbesondere auf biblische Figuren wie die tapfere Judith, den weisen König Salomon, Johannes den Täufer oder Veronika und ihr Schweißtuch, in dem sie den Abdruck des Antlitzes Jesu bewahrt, bezieht. Anhand dieser schillernden Figuren werden sowohl in der volkssprachigen Dichtung wie in der Geschichtsschreibung, in politisch-theologischen Traktaten sowie Bildquellen Konzepte von Herrschaft, Heiligkeit und Geltung ausgehandelt oder begründet. Welche Formen der Bearbeitung die volkssprachige Dichtung und die historische Überlieferung dabei nutzt, wollen wir im Seminar fächerüberschreitend untersuchen. Es handelt sich um ein interdisziplinäres mediävistisches Seminar, in dem die germanistischen und historischen Perspektiven gemeinsam verfolgt werden sollen.

Das Testat besteht in der Mitarbeit an einem Wiki, das im Rahmen des Seminars entstehen soll.