Oswald von Wolkenstein (1377-1445) war eine durch und durch erstaunliche
Person, dies gilt für sein Leben genauso wie für seine Dichtung. Schon
in jungen Jahren bereiste er Europa, kam dann in Kontakt mit dem
Kaiserhof, erlitt Gefangenschaft und Folter und nahm sogar am Konstanzer
Konzil teil. Von ihm hat sich ein authentisches Porträt erhalten, das
erste seiner Art nördlich der Alpen, und eine Handschrift seiner Lieder
mit persönlichen Kommentaren. Sein Werk reicht vom zeitgenössischen
Minnesang bis hin zu geistlichen Liedern. Bemerkenswert auch, dass kein
deutschsprachiger Dichter vor ihm eine solche Fülle autobiographischer
Informationen in seinen Liedern bereithält, die aber natürlich trotzdem
mit literaturwissenschaftlicher Vorsicht zu behandeln sind. Wir wollen
uns in diesem Semester dem reichhaltigen Werk des sogenannten „letzten
Minnesängers” widmen. Dabei interessieren in erster Linie die
Verschränkung von Autobiographie und Dichtung, die Transformation des
Minnesangs, die Fremdwahrnehmung, Fragen nach Gewalt und Komik in den
Liedern. Auch auf die Rezeption des umfangreichen Werks und der
historischen Person, die sich als Romanfigur wiederfindet, wird am Ende
des Seminars eingegangen.
- Kursleiter*in: Dr. Ronny Schulz