Das Seminar widmet sich dem Werk der österreichischen Autorin Marie von Ebner-Eschenbach, das der literarhistorischen Epoche des Realismus zugeordnet wird. Im Unterschied zum Werk von Theodor Fontane, Gottfried Keller oder Adalbert Stifter werden Marie von Ebner-Eschenbachs erstaunlich modernen Texte wie die Erzählung „Lotti, die Uhrmacherin“, die sich dem Leben einer berufstätigen Frau widmet, der Roman „Das Gemeindekind“, der die Entwicklung eines armen Waisenkindes zu einem angesehenen Dorfbewohner schildert, oder die Erzählung „Krambambuli“, in der die Mensch-Tier-Interaktion im Zentrum steht, heute inner- und außerhalb der Forschung seltener rezipiert. Dies liegt nicht an der Qualität der literarischen Texte, sondern ist durch externe Faktoren wie Kanonisierungsprozesse etc. begründet. Marie von Ebner-Eschenbachs Werk eignet sich besonders gut, um über Fragen der epochalen Zuordnung der psychologisierenden Darstellungen zu diskutieren und über das Konzept weiblicher Autorschaft und Kanonisierungsprozesse zu reflektieren.

Lehr- und Lernziele des Seminars sind, dass Student*innen erstens einen Überblick über Marie von Ebner-Eschenbachs dramatisches und episches Werk erlangen, zweitens anhand des Werkes der Autorin Merkmale der literarhistorischen Epoche des Realismus und indirekt des Naturalismus beschreiben und drittens Konzepte wie Kanon/Kanonisierungsprozesse und weibliche Autorschaft reflektieren können.