Dr. Michael Homberg: Oberseminar "Republik der Angst? Die Bundesrepublik und die „Suche nach Sicherheit“."

 

Die Wahrnehmung, in „unsicheren Zeiten“ zu leben, ist ein stehender Topos der Gegenwartsdiagnostik. Neuere demoskopische Erhebungen in der Bundesrepublik sprechen bereits von einer rapiden „Erosion des Sicherheitsgefühls“. Was als „sicher“ gilt, ist allerdings historisch ebenso wandelbar wie die Überzeugungen, wie, durch wen und in welchen Lebensbereichen diese „Sicherheit“ herzustellen sei.

Besonders zeigt dies ein Blick auf die verschiedenen Deutungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts, das sowohl als ein Zeitalter der Sicherheit, des technischen Fortschritts, der Beherrschung der Natur wie auch der Stabilisierung von Sozialsystemen und der Verringerung von Krankheitsrisiken gelesen werden kann, als auch als eine Periode einer immer „chaotischer“ und „unübersichtlicher“ werdenden Welt, in der die Bedrohungen durch den Nuklearkrieg, den Terrorismus sowie Umwelt-, Wirtschafts- und Energiekrisen beharrlich zugenommen haben.

In der Bundesrepublik, die kürzlich als „Republik der Angst“ (Frank Biess) beschrieben wurde, reichten die Ängste der Bürgerinnen und Bürger von der Sorge vor Vergeltung nach dem Krieg über eine kommunistische Unterwanderung im Kalten Krieg bis hin zu den Existenzängsten „nach dem Boom“ des „Wirtschaftswunders“ (Lutz Raphael/Anselm Doering-Manteuffel). Sie kreisten um eine Rückkehr des Faschismus wie auch um die Bedrohung durch den RAF-Terrorismus in den 1970er Jahren und die apokalyptische Vision des „Atomtods“ in den 1980er und 1990er Jahren.

Vor diesem Hintergrund kann die Geschichte der Bundesrepublik als eine Geschichte der „Suche nach Sicherheit“ (Eckart Conze) gelesen werden. Das Seminar setzt sich zum Ziel, die Geschichte dieser „Suche“ zu rekonstruieren und zu diskutieren, welche Szenarien der Bedrohung den Diskurs in der Bundesrepublik bestimmten und wie soziale, ökonomische und politische Fragen zu Fragen der „Sicherheit“ wurden.