In Kooperation mit der Ausstellung «Flechten» des Museums für Europäische Kulturen (MEK) in Berlin beschäftigen wir uns in diesem Seminar mit dekolonialen Erzähl- und Repräsentationsweisen mit Fokus auf Ökologie, Moderne und Infrastrukturen. Wurde das europäische Flecht- und Webgewerbe ab 1900 von Sisal oder Rattan dominiert, schweigt die heutige Kulturgeschichte zu dem kolonialen Komplex dieser Materialien. Anknüpfend an die Metapher des Flechtens fragen wir im Seminar nach den Möglichkeiten und Grenzen der Erzählweisen dieser «entangled histories». Das Seminar verfolgt das Anliegen, dass von den Teilnehmer*innen im SS 2021 eigene filmische, fotografische, textliche etc. Projekte zum Thema post- und dekoloniales Flechten entwickelt und umgesetzt werden, die bei der Ausstellung im MEK (Eröffnung im Frühjahr 2022) gezeigt werden.

Der Ausgangspunkt der Beschäftigung im Seminar ist Umweltzerstörung und Anthropozän mit Kolonialismus und Rassismus zusammenzudenken, wie es z. B. Françoise Vergès mit dem Konzept des «rassistischen Kapitalozän» fordert. Kolonialismus meint dabei nicht nur ökonomische Ausbeutung, ökologische Vernichtung und Genozide an Schwarzen Menschen und people of color, sondern deren Rassifizierung durch die Erfindung bestimmter Episteme und Diskurse (Natur, Rasse, weiß, Rohstoff, Fortschritt), die sich bis heute in Denk- und Erzählweisen naturalisieren. Im Anschluss an Anna L. Tsing werden im Seminar Sisal, Rattan, Baumwolle etc. nicht nur als ökonomische Einheiten, sondern als in kulturellen Prozessen hergestellte Waren verstanden, die die Reibungen, die sie produziert haben, nicht mehr zeigen sollen, z.B. indigenes Wissen oder antikoloniale Widerstände. Den Reibungen post_kolonialer Lieferketten folgen wir anhand den drei Stationen Infrastrukturen, Plantagen und Museum/Archiv, um daran jeweils die Geschichte und Gegenwart von kolonialen Epistemologien und Histographien zu skizzieren und zu versuchen Möglichkeiten zu erkennen, diese zu verschieben.

Zusätzliche Informationen:
Gelesen werden Texte (englisch/deutsch) der antirassistischen, feministischen, post- und dekolonialen Theorie. Es werden künstlerische Arbeiten von Denise Ferreira da Silva/Arjuna Neuman, Peggy Buth, Vitjitua Ndjiharine, Ariella Aïsha Azoulay etc. diskutiert.

Erwartet wird die Übernahme einer Input-Referats oder eines Sitzungsprotokolls (Testat).

Es wird empfohlen, parallel zu dieser Veranstaltung das Seminar von Anne Quirynen in Modul 6 zu besuchen. Es wird drei gemeinsame Termine mit der Kuratorin des MEKs geben. Bitte den 27.11. (Freitag) für den ersten Besuch im Museum freihalten!!! In Anbetracht der Lage, wird je nach Teilnehmer*innenzahl entschieden, ob wir eine Präsenz- oder Online-Veranstaltung abhalten.